Pappenheim
3 Fragen an... Werkstatt

Nicht von schlechter Pappe

Kathrin Overesch hat sich mit Pappenheim den Traum von der eigenen Buchbinderei erfüllt.

Etwas versteckt im Hinterhof eines Gröpelinger Reihenhauses liegt das neue Zuhause von Pappenheim, dem Atelier für Buch und Papier von Kathrin Overesch. Hier repariert sie lädierte Bücher, bindet Einzelausgaben und Fotoalben und stellt individuelle Notizbücher und Schachteln her. Die Neu-Gröpelingerin ist gelernte Buchbinderin, hat aber auch acht Jahre lang als Mitarbeiterin an der Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen gearbeitet und sich in unterschiedlichste Bereiche wie Veranstaltungstechnik, Grafik-Design und Mediengestaltung reingefuchst. Geboren wurde sie in Berlin, in eine Familie von „Bibliomanen“, die ihr schon früh die Liebe zu Büchern mitgegeben haben. Dass sie sich für den Beruf der Buchbinderin entschieden hat, ist sicher aus dieser Leidenschaft erwachsen. Den Ausschlag hat jedoch ein Berufs-Portrait der Buchbinderei in einem Frauenmagazin gegeben. Die dort vorgestellte Gesellin hat sie nicht nur zum Ergreifen der Ausbildung inspiriert, sondern am Ende auch noch eine ganz andere Art von Abenteuerlust geweckt.

Pappenheim, an der Pappschere

Kathrin Overesch an der Pappschere. Die schneidet insbesondere überdimensional große Pappen, einzelne Bogen Papier, Karton oder Gewebe.

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Video-Link: https://www.youtube.com/watch?v=PVxhueG0pJE

Zum Schneiden ganzer Buchblöcke benutzt man den Stapelschneider, intern auch Höllenmaschine genannt. Ganze sechs Leute wurden beim Einzug in die neue Pappenheim Werkstatt benötigt, um die Schneidemaschine zu bewegen.

Wodurch zeichnet sich Dein Unternehmen aus?

Pappenheim ist eine Buchbinderei, ein Werkstattladen und eine klitzekleine Galerie. „Kieken un Köpen“ kann man hier! Im Jahre 2014 habe ich Pappenheim zunächst als Atelier- und Werkstattgemeinschaft mit zwei weiteren Frauen im Viertel auf den Höfen gegründet. Durch meinen Umzug nach Gröpelingen bin ich nun auf mich allein gestellt, hatte aber das Glück, hinter unserem Haus eine Werkstatt einrichten zu können, samt traditioneller gusseiserner Buchbindereimaschinen und Pressen.

Meine Kunden schätzen das gedruckte Wort und erfreuen sich am gebunden Buch. Sie lassen alte Koch- oder Kinderbücher reparieren, Diplomarbeiten oder Lebenserinnerungen als Einzelausgaben binden und Zeitschriftensammlungen zu Büchern zusammenfassen. Je ungewöhnlicher ihre Wünsche sind, desto mehr Spaß macht es mir, das Produkt zu fertigen. Vielen Kunden gebe ich Impulse und Hinweise auf Techniken oder Farbzusammenstellungen und mag es, etwas in einem gemeinsamen Prozess zu entwickeln.

Interessant ist für mich auch, wenn Menschen mit spannenden Inhalten kommen. Neulich habe ich zum Beispiel die Lebenserinnerungen eines „Waller Butschers“ gestaltet und war sehr beeindruckt von seiner Geschichte. Positive Herausforderungen sind Diplomarbeiten von Studenten der Hochschule der Künste, die so wie ich gerne experimentieren. Gebunden werden hier aber auch Großmutters Rezeptsammlungen und individualisierte Poesie- und Hochzeitsalben.

Außerdem verkaufe ich selbst gestaltete Postkarten, Leporellos, Adressbücher, Schachteln und Notizbücher. Ein Besuch lohnt sich also!

Pappenheim Werkstatt

Die Werkstatt im Hinterhof. Da Kathrin Overesch auch noch in einem Geschäft für Künstlerbedarf tätig ist, lohnt es sich für einen Besuch vorher telefonischen Kontakt aufzunehmen.

Du bist Neu-Gröpelingerin, wie nimmst Du Gröpelingen wahr?

Gröpelingen ist für mich bunt und lebendig und keineswegs gefährlich, wie manch einer befürchtet. So wie wir hier wohnen, kommt es mir fast ein bisschen dörflich vor. Zu meiner Werkstatteröffnung haben wir all unsere Nachbarn eingeladen, aber mit so einer großen Resonanz hatten wir nicht gerechnet. Alle sind gekommen und waren neugierig, selbst die, die nicht so gut Deutsch sprechen. Mit selbstgebackenem Kuchen und Blumen haben sie uns willkommen geheißen. Wir fühlen uns hier gut aufgehoben.

Bemerkenswert ist auch, dass ich über das Netzwerk Made in Gröpelingen schon interessante Leute und Orte kennengelernt habe.

Pappenheim, Prägnant

Mit dem Prägnant lassen sich Buchdecken und Buchtitel beschriften.

Du bist nach Deiner Lehre auf traditionelle Wanderschaft gegangen, auf die sogenannte Tippelei.

Das stimmt! Inspiriert dazu hat mich ein Artikel in einer Fachzeitschrift für Buchbinder. Da wurde die gleiche Gesellin vorgestellt, die mir sozusagen schon zu meiner Lehre verholfen hat, diesmal als Wandergesellin auf Tippelei. Den Gedanken von Freiheit und Abenteuer fand ich gleich faszinierend und habe mich dazu entschlossen, das auch zu machen. Damit war ich innerhalb der Buchbinder-Zunft zu der Zeit erst die Dritte, die diesen Weg gewagt hat.

Auf Wanderschaft tragen wir übrigens eine ähnliche Kluft wie die Zimmerleute, allerdings in blau, einen Hut, Reisegepäck und einen Wanderstock, den sogenannten Stenz. Wer sich auf den Weg macht, der darf mit nur fünf Euro Notgroschen starten. Alles, was man sonst braucht, muss man sich auf der Wanderschaft erarbeiten. Für den Anfang ist es daher wichtig, dass man sich einen „Altgesellen“ als Mentor sucht, der einem z.B. Tipps gibt, wie man ohne Geld klarkommt, wie man Schlafplätze findet, der einem die Tradition der Wanderschaft erklärt mit allen verbunden Pflichten und Möglichkeiten.

Mein erstes Jahr habe ich überwiegend in Deutschland gearbeitet, das zweite dann im weiteren europäischen Raum. Mit der Zeit habe ich gelernt mich zu reduzieren, nur das Wesentlichste zu behalten. Ein Beispiel: ich bin mit einem Walkman und 10 Kassetten losgegangen, am Ende waren es dann nur noch drei Kassetten. Man lernt zu unterscheiden, was wichtig ist und was Ballast – und dass man im Zweifelsfall immer improvisieren kann. Insgesamt war ich zweieinhalb Jahre unterwegs und kann es eigentlich nur empfehlen, das zu tun. Gerade im Handwerksbereich lohnt es sich, unterschiedlichen Menschen zu begegnen und verschiedene Arbeitstechniken auszuprobieren. Es hat mich auch eine Form der Gelassenheit gelehrt. Ich habe gemerkt, irgendwo wird man immer ankommen, irgendwie wird es passen. Das sind gute Erfahrungen, die einem später als Unternehmerin helfen.

 

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