Gründer-Interviews

Klimaschutz per App

Aktiv für Klimaschutz ist Uli F Wischnath schon immer. Er studierte Umweltphysik an der Uni Bremen und forschte anschließend im Bereich Solarenergie. Dann arbeitete er in der Fotovoltaik-Produktion, unter anderem in Südafrika. Jetzt möchte er sich mit dem Verein climactivity und einem Programm für mehr Klimaschutz im Alltag selbstständig machen. Zentral ist dabei eine App, mit der Menschen darin unterstützt werden, Tag für Tag etwas für den Klimaschutz zu tun. Geht so ein effektiver Weg aus der Klimakrise?

Uli, was machst du in Gröpelingen?
Als ich vor drei Jahren aus Südafrika zurückkam, hatte ich das Gefühl, ich möchte noch mal einen Neuanfang wagen. Ich habe versucht, wissenschaftlich etwas für den Klimaschutz zu bewegen, dann im Bereich der Wirtschaft. Letztendlich fehlt es uns weder an Erkenntnis noch an Technologie, sondern es fehlt an gesellschaftlichem und politischem Wandel. Dem möchte ich mich nun widmen.

Wie kann das aussehen?
Vor eineinhalb Jahren haben wir den Verein „Klimaschutz For All“ – inzwischen climactivity – gegründet. Wir haben ein Programm entwickelt, mit dem Einzelne unterstützt werden, Tag für Tag etwas für den Klimaschutz zu tun. Dabei geht es nicht nur darum, wie mache ich meinen persönlichen CO2-Fußabdruck kleiner, sondern auch um den so genannten Handabdruck, also um das Engagement für Klimaschutz. Das kann ganz unterschiedlich
ausfallen, ob ich nun im privaten Umfeld die Nachbarin davon überzeuge, zu Ökostrom zu wechseln, oder mich im Betrieb für eine vegane Mahlzeit in der Kantine einsetze oder ganz klassisch demonstrieren gehe. Das ist ein zweites, wichtiges Standbein beim persönlichen Einsatz für den Klimaschutz.

Was beinhaltet das konkret?
Unser Programm besteht aus drei Komponenten: einer Klima-App, einem sozialen Netzwerk, so ungefähr Facebook für Klimaschutz, und einer vor Ort Komponente, wo sich Menschen zu Teams zusammenschließen und im Stadtteil monatliche Veranstaltungen organisieren. Uns ist wichtig, dass es sich nicht nur zwischen Handy-Bildschirm und den Augen des Benutzers abspielt, sondern dass es eine Verbindung zu den Menschen vor
Ort gibt.

Wie weit seid ihr gekommen?
Im vergangenen Jahr wurde ein Prototyp unseres Programms mit circa 20 Leuten im Modell-Lauf getestet. Dazu haben wir per Crowdfunding 10.800 € eingesammelt. Seit September 2020 sind wir ein Förderprojekt vom Bundesumweltministerium und der Bremer Umweltprojekte-Förderung, um die nächste Stufe vorzubereiten und die Aktivitäten auf ganz Bremen und den Landkreis Verden auszudehnen. Ich werde mit einer geringen Stundenzahl als Projektkoordinator gefördert und bewerbe mich gerade um ein Exist-Gründerstipendium (für eine innovative Unternehmensgründung). Wir wollen climactivity als gemeinnützige GmbH verankern, die sich perspektivisch selber trägt zum Beispiel durch In-App-Käufe, Sponsoring und Werbepartner.

Es klingt ja vielversprechend mit einer App den ökologischen Fußabdruck zu verringern.
Kann das funktionieren?
Eine App an sich spart natürlich kein einziges Gramm CO2. Es geht darum, den Menschen Möglichkeiten aufzuzeigen, wie sie zum Klimaschutz beitragen können. Dazu bietet die App Informationen oder Aufgaben zur Auswahl. Ich erstelle mir also in der App eine Aufgabenliste und kann diese abarbeiten. Zum Beispiel: Ich besorg mir einen Wasserspar-Duschkopf, um beim Duschen heißes Wasser einzusparen. Das ist ´ne Supersache, weil es keinen Komfortverlust bedeutet und nebenbei noch eine Menge Geld spart. Da gewinnen Portmonnaie und Klimaschutz gleichzeitig. Oder ich fahre mit dem Fahrrad zur Arbeit. Oder im Bereich Handabdruck: Ich erkundige mich im Betrieb nach dem „Corporate Carbon Footprint“.

Die App fragt mich dann von Zeit zu Zeit: Hey, was ist mit deinen Aufgaben? Und wenn ich die erledigt habe, bekomme ich Punkte, mit denen ich aufs nächste Level gelange, odererhalte Taler, um besondere Bäume zu pflanzen. Es ist eine Spiele-App mit Lerninhalten. Du lässt durch dein klimafreundliches Leben im Alltag einen virtuellen Wald wachsen. Wir wollen, dass die Menschen einerseits wissen und verstehen, wie sie zu Klimakrise und Klimaschutz beitragen. Aber sie sollen sich an ihren Erfolgen freuen und nicht den Blick immer nur auf das richten, was (noch) nicht so gut läuft. Denn am Ende müssen die, die Klimaschutz ernst nehmen, lebensfrohe Vorbilder sein. Nur so lassen sich andere fürs Mitmachen gewinnen.

Muss man in einer App Zusammenhänge nicht zu stark vereinfachen?
Du kannst selbst die Informationstiefe bestimmen, das unterscheidet uns von anderen Klimaschutz-Apps. Es gibt kleinere Einheiten, die du in fünf Minuten durcharbeiten kannst, dann machst du am Ende einen Quiz und bekommst dafür Punkte und Taler. Du belässt es dabei oder du steigst tiefer ein.

Climactivity ist eine Gröpelinger Gründung. Wie sieht eure Anbindung an den Stadtteil
aus?
Fünf Gründungsmitglieder leben – wie ich – schon lange in Gröpelingen, der Verein hat hier seine Adresse. Die Verbindung ist deswegen eng. Wir haben beim Beirat WiN-Mittel beantragt für unsere Veranstaltungen und planen im Sommer an verschiedenen Orten wie Mosaik, Kunstkiosk, Bürgerhaus Oslebshausen mit Teams zu starten.

Foto: Julian Elbers

Was hältst du davon, dass Gröpelingen Bremens erstes Klimaquartier im Bestand werden
soll?
Klimaschutz geht alle an und muss alle angehen. Er wird in den nächsten Jahren noch viel mehr als bisher gemacht werden. Deswegen sollte man sich jetzt dafür einsetzen, dass er richtig gemacht wird. Klimaschutzpolitik muss aktiv gestaltet und als Teil einer sozialökologischen Transformation begriffen werden. Sonst ist es eher eine Belastung für diejenigen, die nicht so viel Geld haben. Richtig gemacht kann Klimaschutz auch sozialen Gesichtspunkten förderlich sein. Meistens sind die mit dem größeren Portemonnaie diejenigen, die den größeren Klimaschaden anrichten – unabhängig vom ökologischen Bewusstsein. Wenn ich mit einer Familie in einer Geschosswohnung lebe, verbrauche ich viel weniger Energie als jemand, der sich ein freistehendes Passivhaus leisten kann. Letztendlich müssen alle Menschen Klimaschutz als relevanten Faktor für ihr Handeln begreifen in Gröpelingen genau so wie in Schwachhausen.

Foto: Julian Elbers

Was passiert noch in diesem Jahr?
Die App wird momentan programmiert und intern getestet. Im Mai 2021 kommen die ersten Externen dazu. Dafür kann man sich jetzt auf unserer Webseite https://climactivity.de anmelden.

Wie sehen eure Themenabende vor Ort aus?
In diesem Jahr mussten wir sie coronabedingt als Zoom-Meetings durchführen. Ansonsten soll es überall einen ähnlichen Ablauf geben. Es gibt eine*n lokale Gastgeber*in, das kann auch Kultur Vor Ort sein. Den inhaltlichen Input senden wir von einem Ort per Videostream. Es wird neben dem inhaltlichen Teil auch ein Klima-Bingo gespielt und anschließend ein Get-together geben, um Leute aus dem Stadtteil kennen zu lernen und sich über lokale Aktivitäten zu unterhalten. Diese Art,Veranstaltungen zu organisieren, ist sehr effizient. Das können wir beim Klimaschutz gut gebrauchen, weil wir haben wenig Zeit und viel zu
tun.

Klima-Bingo klingt nach Spaß…
Ein klimafreundliches und gutes Leben müssen sich nicht widersprechen. Wir haben bei dem Übergang in eine klimafreundliche Realität nicht viel zu verlieren, sondern viel zu gewinnen zum Beispiel lebenswertere Städte. Sich für diese Vision einzusetzen lohnt sich; nicht nur wegen zukünftiger Generationen, sondern es lohnt sich auch einfach jetzt und hier für uns.

Kontaktdaten:
www.climactivity.de
Uli F Wischnath
Projektkoordinator
Ritterhuder Str. 23
28237 Bremen