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Von kühlen, großartigen Hallen und einer Portion Gründerschmerz

In einer ehemaligen Kantine im Gewerbegebiet Oslebshausen werden zeitlose Designer-Möbel produziert.

Der Begriff Aggregat steht für eine zusammengefügte Einheit aus Teilen unterschiedlicher Materialität. Die Möbeldesigner Jonas Wagner und Malte von Hörsten firmieren unter diesem Namen seit August 2016 und bieten individualisierbare Möbel an: Die aus Stahl und Holz gefertigten Unikate können mittels eines Online-Konfigurators vom Kunden an eigene Wünsche angepasst werden. Auf diese Weise fügt sich traditionelles Handwerk mit modernem Herstellungsprozess und digitalem Bestellsystem zusammen. Seit Oktober letzten Jahres können die klassisch anmutenden und funktionalen Produkte auch im Showroom im city lab begutachtet werden.

Ihr seid gelernte Mechatroniker und arbeitet als Möbel-Designer. Wie kam es zu diesem Schritt?

Wagner: Wir haben uns bei unserer Ausbildung bei Daimler Benz in Bremen kennengelernt und danach Maschinenbau in Hannover studiert. Schon während des Studiums hatten wir den Drang, kreativer zu gestalten und Produkte zu entwerfen. Da wir zusammen in einer WG gewohnt haben, sind unsere ersten Möbel-Ideen am Küchentisch entstanden. Von den kleinen Ideen nebenbei, was eigentlich nur als Experiment gedacht war, sind wir dann den großen Schritt zum eigenen Unternehmen gegangen.

Von Hörsten: Uns hat interessiert, aus dem eigenen Design ein qualitatives Produkt herzustellen und die komplette Umsetzung selbst zu übernehmen. Daher war es uns wichtig, von Anbeginn an einen Betrieb aufzubauen, wo man vernünftig produzieren kann. Wir wollten systematische Abläufe schaffen, in denen jeder seinen Platz findet und man sich darauf verlassen kann, auch unter Zeitdruck zu einem guten Ergebnis zu kommen. Was das Design betrifft, arbeiten wir zunächst unabhängig voneinander am Computer. Manchmal fängt es mit einem kleinen Detail an und entwickelt sich von da aus weiter. Schließlich wird per Handwerk ein Prototyp erstellt. Spätestens an der eigentlichen Produktherstellung arbeiten wir beide mit und teilen uns Arbeitsschritte auf. Die Herstellung erfolgt serieller Natur, die Möbel sind aber mit individuellen Handgriffen gefertigt. Das merkt man den Stücken im Einzelnen an. Sie sind nie alle 100% gleich, sondern haben ihren eigenen Charakter.

Wie seid Ihr auf den Namen gekommen?

Von Hörsten: Der Begriff Aggregat stammt aus einem unserer Metalltabellenbücher, das ist so eine Art Bibel für das Metallhandwerk. Wir haben das Buch durchgeblättert und sind auf den Namen gestoßen und fanden ihn sowohl vom Klang gut, als auch von der Bedeutung im Sinne des Zusammenschluss zweier verschiedener Materialien. Inzwischen haben wir Aggregat auch als Marke eintragen lassen. Denn letztendlich wollen wir Aggregat als Marke aufbauen, es geht um das Produkt und die Idee dahinter, mit der sich die Kunden hoffentlich identifizieren können.

 

Eure Produktionsstätte liegt etwas versteckt im Gewerbegebiet von Oslebshausen. Wie habt Ihr die gefunden?

Wagner: Durch Glück! Erst haben wir viel über Internetportale und Zeitungen gesucht, da ist aber nichts bei raus gekommen. Wir sind dann entlang der Hafenrandstraße gefahren und sind in jede Seitenstraße ins Industriegebiet reingefahren und haben Zettel an verschiedenen Immobilien hinterlassen. Daraufhin hat uns ein Eigentümer kontaktiert und uns diese Halle angeboten. Wir sind hier absolut glücklich. Im Winter ist es zugegeben etwas kalt, was aber auch daran liegt, dass wir bewusst nur in unserem Büro heizen. Wir wollen die Kosten unter Kontrolle halten und ziehen uns halt etwas dicker an. Das ist dann wohl unser persönlicher Gründerschmerz.

Apropos Kosten. Wie habt Ihr Eure Unternehmensgründung finanziert?

Von Hörsten: Wir haben einen Businessplan erstellt und auch versucht Fördermittel einzuwerben, aber am Ende haben wir die Gründung komplett durch Eigenmittel finanziert. Abgesehen von Miete, Maschinen und Material versuchen wir daher alle Arbeit, die anfällt, zunächst einmal selbst zu machen. Das spart Kosten und es lehrt uns auch ein Unternehmen von der Pike auf zu gestalten. In manchen Fällen ist es allerdings besser, wenn man etwas abgibt. Wir haben es mit einer eigenen Webseite versucht, das sah dann aber zu schrottig aus und wir haben es professionell erstellen lassen. Unsere Buchführung machen wir auch selber – für die Steuern allerdings haben wir uns jemand Externes genommen. Inzwischen liefern wir auch nicht mehr selber aus, sondern lassen das durch eine spezielle Spedition machen. Die Zeit reicht einfach nicht mehr für den eigenen Transport.

Wagner: Dadurch, dass wir alles privat finanziert haben ist erst einmal der Druck raus. Wenn ich ständig darüber nachdenken müsste, ob ich im Monat so viel verdiene, dass ich den Kredit abzahlen kann, baue ich mir gedanklich etwas zu. Mir käme es dann so vor, als könne ich nur über Gewinnmaximierung nachdenken und weniger an neue, gute Produkte. Wir wollen außerdem das Gefühl haben, dass das Unternehmen ganz „unseres“ ist, da sind wir ein bisschen old school. Wir sind keine knallharten Zahlenmanager.

Seit einigen Monaten habt Ihr auch einen Showroom in der Innenstadt, im city-lab.

Von Hörsten: Wir reflektieren viel, wie ein Kunde denkt. Bei uns kann man über das Internet bestellen und die Stücke individuell konfigurieren. Aber die Leute wollen die Produkte auch live sehen. Dass hier jemand vorbeikommt und mal eben so über unsere Torschwelle fährt ist nicht selbstverständlich, das Gelände ist schon ein bisschen abseits. Wir sind aus Zufall über eine Ausschreibung des city-labs gestolpert und durften uns dann am Ende in einem Laden eine Fläche abzweigen. Dann haben wir innerhalb von zwei Wochen den Ladenraum fertig gemacht und parallel dazu weitere Möbel für die Eröffnung gefertigt.

Wagner: Das city-lab ist für uns eine super Sache. Wo sonst kann man sich sonst solch eine zentrale Ladenfläche leisten? Wir sind auch im guten Austausch mit den anderen dort ansässigen Gründern.

Was plant Ihr für die Zukunft?

Von Hörsten: Langsam merken wir, dass wir unser Unternehmen zu zweit noch gerade bewältigen können, das heißt, wir können an den nächsten Schritt denken. Langfristig würden wir nicht nur gern unsere Produktpalette ausweiten und überregional auftreten, sondern auch Mitarbeiter einstellen. Selbst wollen wir uns stärker auf das Design konzentrieren und an den Produkten arbeiten.

Wagner: Für dieses Jahr steht die Veröffentlichung eines Produktkatalogs an. Wir denken außerdem auch viel über unseren Marktauftritt nach. Hier investieren wir einiges an Geld, auch wenn es manchmal nicht ersichtlich ist, ob das alles etwas nützt. Wir sind aber davon überzeugt, dass der digitale Weg der richtige ist. Online-Marketing ist zeitintensiv, aber diese Präsenz ist notwendig. Wer sich da jetzt nicht aufstellt, verpasst den Anschluss, also bleiben wir in diesem Bereich aktuell.

Habt Ihr Tipps für andere Gründer?

Von Hörsten: Haltet immer die Ohren und Augen offen, man weiß nie, was nützlich sein kann. Versucht nicht, alles in Gedanken bis zum Ende durchspielen, manchmal muss man einfach auch mal was wagen. Insgesamt ist es gut zu wissen, was man kann und was man nicht kann. Wer sich darüber im Klaren ist, kann gute Entscheidungen treffen. Andererseits sollte sich keiner für sein Unternehmen kaputt wühlen. Ich habe in meiner Familie erlebt, dass sich das nicht gut aufs Umfeld auswirkt. Natürlich gibt es arbeitsintensive Hochphasen, aber es muss insgesamt eine Balance zum Privatleben hin geben.

Wagner: Mein Vater hat immer gesagt, ihr werdet viel Lehrgeld bezahlen. Das habe ich nicht gern gehört, aber es stimmt. Es ist außerdem alles viel teurer und dauert länger als man dachte. Auch das wollte ich nicht wahrhaben und es stimmt. Man muss es aber trotzdem machen. Und deswegen ist es vielleicht auch gut, dass man gegen solche Sprüche ein Stück weit resistent bleibt.

www.aggregat-bremen.de