Miho Sakai beim Brotschneiden.
Maker Manufaktur

Das Zen Gefühl hinter dem Backwerk

Miho Sakai ist Japanerin, Soziologin und deutsche Bäckermeisterin.

Miho Sakai wird in den 70er Jahren in Suzuka, Japan, geboren. Nach ihrem Highschool Abschluss ist es ein langer Kampf gegen das konservative Elternhaus, bis ihr zugebilligt wird, ein Studium der Sozialwissenschaften aufzunehmen. Zu dem Zeitpunkt hat sie bereits fünf Jahre als Büroangestelle für ein Unternehmen gearbeitet. Das Studium ist sehr theoretisch und entpuppt sich insgesamt als Enttäuschung. Aus Unsicherheit, wie es mit ihrem Leben weitergehen soll, entscheidet sich Miho Sakai dafür ein Jahr lang durch Neuseeland zu reisen und Englisch zu lernen. Zwei Begegnungen werden hier prägend für sie. Zum einen lernt sie einen jungen Mann kennen, der mit seinem eigenen Sauerteig durch die Welt zieht und überall wo er seine Zelte aufschlägt Brot bäckt. Das fasziniert sie. Zum anderen lernt sie ihren künftigen Ehemann kennen, einen in Berlin lebenden Deutschen. 1999 entschließt sie sich ihm nach Deutschland zu folgen und konzentriert sich darauf, die deutsche Sprache zu lernen. Da die alte Sehnsucht nach etwas handfesterem ungebrochen ist, beginnt sie 2003 mit dem Erlernen eines urdeutschen Handwerks.

Ich will meine Zeit nicht verkaufen!

Du bist japanische Sozialwissenschaftlerin und deutsche Bäckermeisterin. Wie kam es zu diesem Schritt?
Ich habe mich immer für Literatur, Kunst und Philosophie interessiert, aber ich bin auch sehr praktisch veranlagt, ich mag gerne mit meinen Händen arbeiten. Mich hat überzeugt, dass man mit einem Handwerk überall auf der Welt arbeiten kann und am Ende habe ich mir eingestanden, dass ich gerne eine Bäckereiausbildung machen will. Ich habe in Berlin bei einer Öko-Bäckerei gelernt und mit Auszeichnung abgeschlossen. Obwohl es für meine Ausbildung nicht notwendig war, habe ich übrigens zusätzlich ein Praxis-Seminar in der sogenannten „Sauerteigführung“ belegt.

Miho Sakai

Wie ist es danach weitergegangen?
Nach meiner Ausbildung habe ich fünf Jahre lang in einem renommierten Hotel gearbeitet, oft täglich zwischen 10 bis 14 Stunden. Erst als ich schwanger wurde habe ich gemerkt, wie erschöpft mich das gemacht hat. Mein Mann hat dann einen Job in Bremen angenommen und wir sind aus Berlin weggezogen. Die erste Zeit habe ich hier große innere Konflikte gehabt. Ich habe immer viel gearbeitet und nun mit dem neuen Haus, der neuen Stadt ohne Freunde oder Verwandte klaffte eine richtige Lücke auf. Ich wusste, dass ich wieder arbeiten wollte – ich wollte aber auch genug Zeit für das Kind haben. Alle verfügbaren Arbeitsmodelle für Mütter habe ich mir angeguckt und doch erschien mir nichts davon richtig. Als Mutter musst Du flexibel sein und andere Dinge ungeplant hinten an stellen können. Irgendwann habe ich dann gemerkt, dass ich eines nicht mehr will: Ich will meine Zeit nicht mehr verkaufen. Die Idee war dann ganz naheliegend, sein eigenes Business zu starten, wenn auch nur auf ganz kleiner Ebene.

Vielleicht bin ich nicht profitabel genug, aber ich kann mir alles selber organisieren.

Du hast Dich also selbständig gemacht?
Als erstes habe ich angefangen ab und zu für Nachbarn und Verwandte zu backen. Ich habe probiert was geht und was für Angebote ich machen will. Mit meinen Produkten will ich für das Bäcker-Handwerk werben aber auch für einen bewussten Umgang mit der Ware. Ich bin keine strenge Vertreterin von rein biologischen oder veganen Produkten, ich denke, es ist wichtig vor allem Maß zu halten. Im Zen sagt man, der Magen soll nur 80% gefüllt werden. So verleidet man sich nicht den Genuss. Durch Zufall bin ich dann der Existenzgründerberatung von Kultur vor Ort begegnet, die mich mit auf ein Existenzgründer-Seminar von der Initiative „Frauen, Arbeit und Wirtschaft“ (FAW) genommen hat. Dort ging es um das Modell der Selbständigkeit im Zuerwerb. Das ist besonders für diejenigen interessant, die weiterhin über den Ehepartner versichert bleiben wollen. Ich habe mir dann einen 10-Jahres-Plan aufgestellt. Für mich ist klar, dass ich langsam wachsen will. Ich denke auch, dass ich erst in eine Vollzeit-Selbständigkeit gehe, wenn mich mein Kind nicht mehr braucht.

Welche Faktoren haben Dir noch bei der Gründung geholfen?
Für mich ist es ganz wichtig, dass es so ein Modell wie die „Kulturküche“ gibt. Die Kulturküche bietet ihren Vereinsmitgliedern gegen einen Geldwert die Nutzung der gewerblichen Küche an. Meine Produkte die für den Verkauf vorgesehen sind, muss ich in einer gewerblich abgenommenen Küche herstellen. Eine solche Küche selbst einzurichten würde hohe Investitionskosten bedeuten, die mein Vorhaben sicher verhindert hätten. Ein anderes Modell der Ko-Nutzung lässt sich bei Craftspace finden. Dort bieten unterschiedliche Produktionsstätten-Inhaber ihre Räume zur Untermiete an. Dieses shared-space Prinzip nutze ich auch um ein Mal im Monat ein temporäres Café im Pasdocks in der Lindenhofstraße anzubieten. Das Pasdocks war lange Jahre lang ein Ladenleerstand in der Lindenhofstraße in Gröpelingen. Jetzt stellt Kultur Vor Ort dort Existenzgründern temporär einen Werkraum zur Verfügung, damit eigene Geschäftsideen ausprobiert werden können. Ich bin dort jeden dritten Sonntag im Monat und man kann mich zu japanischen Snacks und Kaffee und Tee besuchen.

Delilab