3 Fragen an... Musik

„Hast Du eine neue Huckelriede?“

"Mobile Kultur" trägt Kulturformate dorthin, wo sie sonst selten zum Einsatz kommen.

Kerstin Hartmann richtet einen Großteil ihres künstlerischen und musischen Angebots an Menschen mit kognitiven oder physischen Beeinträchtigungen. Mit ihrem Unternehmen „Mobile Kultur“ ermöglicht sie kulturelle Entdeckungen und Teilhabe und stimmt sich ganz auf die individuellen Bedürfnisse ihrer Kunden ab. Dazu gehört auch, dass sie in der Regel zu den Leuten nach Hause kommt. Wichtiger Teil ihres Unternehmens ist daher das Mobilgefährt, ein Fahrrad mit Taschenhänger, in dem verschiedenes Material und Instrumente unterkommen. Da eine Gitarre den Rahmen des „Kulturbeutels“ sprengen würde, hat Kerstin Hartmann sich zur musikalischen Unterstützung eine Ukulele zugelegt. Die kommt nicht nur bei den Bewohnern einer betreuenden Einrichtung gut an, die das Instrument liebevoll „Huckelriede“ nennen. Mit dem Revival der Ukulele als Trendinstrument ist auch die Nachfrage nach dem klassischem Unterrichtsformat gestiegen und sie unterrichtet viele der Neuanfänger in ihren eigenen Räumlichkeiten.

Wie bist Du zu Deinem Unternehmen gekommen?

Ich habe lange Zeit für eine Institution gearbeitet, die Arbeitsangebote für Menschen mit Behinderungen bereitstellt. In der Zeit wurde mir immer deutlicher, dass es für bestimmte Personengruppen fast nicht möglich ist, in ihrer Freizeit an Kunst und Kultur teilzunehmen. Schon während meiner Angestelltenzeit habe ich angefangen, nebenberuflich Kulturformate für genau solche Menschen mit Einschränkungen zu entwickeln. Ich versuche die Welt von ihrer Warte aus zu verstehen. Wofür könnten sie sich interessieren? Was macht ihnen Freude? Wie können sie mit ihren Möglichkeiten an Kultur teilnehmen und sich ausdrücken? Die daraus entstehenden Angebote sind barrierefrei, was sich sowohl aufs Örtliche beziehen kann, dann aber auch im Sinne von niedrigschwellig.

Anfang des Jahres habe ich den Schritt gewagt und mich vollberuflich für die Selbstständigkeit entschieden. Seitdem ist auch das Spektrum meiner Arbeit gewachsen. Die Ukulele zum Beispiel, die vorher nur ein Begleitinstrument gewesen ist, lehre ich inzwischen im ganz klassischen Unterricht, der sich an alle Anfänger richtet. Das ist übrigens ganz typisch dafür, wie sich mein Unternehmen entwickelt: Man muss die Gelegenheiten nutzen und offen sein für Wege, die man vorher nicht im Kopf hatte.

Boomwhacker sind unterschiedlich lange Kunststoffröhren die auf die Töne unserer Tonleiter gestimmt sind. In der Gruppe gespielt ergeben sich komplexe Melodien und Rhythmen.

War es schwer in die Künstlersozialkasse (KSK) zu kommen?

Die Künstlersozialkasse versichert nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz freischaffende Künstler und Publizisten und übernimmt in dieser Tätigkeit den Arbeitgeberanteil der gesetzlichen Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung. Das ist ein großer Luxus und daher überprüft die KSK auch genau, wer Recht darauf hat über sie versichert zu sein. Hört man sich bei den Leuten um, wird einem schnell klar, dass es einen großen Mythos über die KSK gibt: Es sei super schwer in sie reinzukommen – und viele Leute würden geprüft und verlieren dann ihren Anspruch. Meine Erfahrung mit der KSK war bisher durchweg positiv. Insgesamt hat der Aufnahmeprozess zwar lange gedauert, aber ich wurde von der Versicherung selbst gut beraten und sie stellt auch verständliches Infomaterial auf ihrer Webseite bereit. Man muss sich darüber im Klaren sein, wofür es die KSK gibt und welchen Auftrag sie zu erfüllen hat und ob man die Kriterien erfüllt, oder ob man sein Profil dahingehend schärft. Man sollte sich jedenfalls nicht kirre machen lassen, und schon gar nicht von selbsternannten Experten. Es hilft, das Ganze rechtzeitig anzugehen und sich zum Beispiel auch per E-Mail direkt bei der KSK beraten zu lassen.

Was würdest Du jungen Leuten raten, die ein eigenes Unternehmen gründen wollen?

Warum nur jungen Leuten? Gründen kann man in jedem Alter. Tatsächlich habe ich die Erfahrung gemacht, dass es gut ist, vorher auf seinem Gebiet Erfahrung und Kontakte gesammelt zu haben, von denen man später profitieren kann. Wenn man etwas reifer ist, kennt man sich besser und weiß, was einem liegt und wofür man bereit ist, sich voll einzusetzen. Bei mir hat sich bewährt, dass ich mir ein Berufsfeld ausgesucht habe, an dem ich viel Freude empfinde. Daher bin ich auch bereit, dafür die unangenehmeren Seiten, wie bürokratische Abwicklungen, zu akzeptieren. Wer Spaß an seiner Arbeit hat, kann auch mal in den sauren Apfel beißen. (lacht) Das, oder man macht es so wie ich und heiratet einen Mann, der mit Leidenschaft die Buchhaltung übernimmt.

 

Mobile Kultur!

Kerstin Hartmann

Telefon: 0176-70149962
E-Mail: kerstinhartmann61@gmx.de