Pilgino
Ladengeschäft Shaker

Auf dem Jakobsweg Feuer gefangen

Das Reiseunternehmen Pilgino bietet Wanderungen auf dem Jakobsweg der etwas komfortableren Art an.

Ansgar Möller ist früh über die Pfadfinderschaft zur Kirche gekommen und hat Theologie studiert. Anschließend arbeitet er lange als Gemeindeseelsorger für die katholische Kirche, unter anderem im Gefängnis. Er kommt an einen Punkt, an dem es für ihn beruflich nicht weitergeht. Da ist der Drang, mehr selbst gestalten zu wollen, da ist die Erkenntnis, dass sich das innerhalb der Kirche nicht bewerkstelligen lässt. Er sucht nach neuen Herausforderungen – und erinnert sich daran, dass er als junger Mensch bei der Wanderung auf dem Jakobsweg die Idee hatte, damit beruflich etwas zu machen. Ansgar Möller nimmt sich die Zeit, den Jakobsweg erneut zu begehen. Er will sich mit seiner Situation auseinandersetzen und gleichzeitig ein paar vage Geschäftsideen auf ihre Tauglichkeit überprüfen. Ausgerechnet seine Lieblingsidee stößt auf beharrliche spanische Bürokratie und muss von ihm verworfen werden.

Erst im Laufe des Weges hat sich herausgestellt, was es wirklich wird.

Was hattest Du ursprünglich für Geschäftsideen und welche hat sich am Ende durchgesetzt?
Mir hat vorgeschwebt eine Pilgerherberge am Jakobsweg zu eröffnen. Ich wollte ein Haus für den müden Pilger errichten. Es stellte sich aber schnell heraus, dass die spanische Bürokratie die Verwirklichung zu einem schwierigen Unterfangen machen würde. Da ich immer wieder Menschen begegnet bin, die den Jakobsweg unbedingt begehen wollen, aber Angst vor dem schweren Gepäck und den sehr einfach gehaltenen Pilgerherbergen hatten, war es naheliegend, stattdessen ein Reise-Unternehmen zu starten, das sich genau um diese Dinge kümmert. Pilgino bietet Wanderungen auf dem Jakobsweg an, bei denen man in kleinen Gruppen pilgert, ohne Gepäck reist und in 1-2 Zimmerbetten übernachtet. Es geht hier also etwas komfortabler zu.

Ansgar Möller vor dem Ladengeschäft Pilgion.

Es ist schon gut, dass man nicht weiß, was alles auf einen zukommt, sonst würde man vielleicht gar nicht anfangen.

War es schwer seinen sicheren Arbeitgeber zu verlassen? Und wie ist dann die Gründung vonstatten gegangen?
Ich habe mit meinem Arbeitgeber einen Aufhebungsvertrag gemacht und gleichzeitig das Signal bekommen, dass ich wieder zurückkommen kann. Das war immer ein Stück Sicherheit für mich, denn eigentlich war dieser letzte Schritt, die Kündigung, eine große Überwindung. Ich bin dann zum Arbeitsamt gegangen und habe ihnen gesagt, dass ich mich selbständig machen will. So hatte ich Zeit, mich vorzubereiten. Ich habe ein Gründerseminar bei der VHS mitgemacht und einen Buchhaltungskurs belegt. Ich habe mir viel angelesen und versucht das deutsche Mehrwertsteuern-System zu verstehen. Sehr wichtig war dann auch, einen Steuerberater zu finden, der Lust auf Kleinstunternehmer hat, den möchte ich nicht missen. Vom Arbeitsamt habe ich einen Existenzgründerzuschuss bekommen und 2008 mein Unternehmen Pilgino gegründet.

Wie hat sich Dein Unternehmen dann entwickelt?
Im ersten Jahr hatte ich 26 Kunden, im zweiten Jahr bereits 100. 2010 war ein sogenanntes „Heiliges Jahr“ – das ist wenn der Jakobus Tag auf den Sonntag fällt – und da gab es jede Menge Medieninteresse für das, was ich tue. Der NDR hat einen Fernsehbericht über mich ausgestrahlt, was meinem Bekanntheitsgrad immens geholfen hat. Letztes Jahr hatte ich rund 400 Reise-Kunden. Aus dem Kerngeschäft haben sich dann allmählich andere Dinge entwickelt. Pilgino war von Anfang an auch als Online-Handel mit Waren vom und für den Jakobsweg konzipiert. 2015 ist dann noch der Weinhandel hinzugekommen, das war bisher eher ein Hobby. Der Wein stammt aus den Bodegas entlang des Jakobswegs und mir sind sämtliche Produzenten persönlich bekannt. Weil ich diese Begeisterung für den Wein weitergeben wollte, kam auch bald die Idee auf, einen Verkaufsraum zu eröffnen, in dem auch Weinproben stattfinden. Anfang 2016 bin ich mit „Vino & Camino“ an den Start gegangen. Jeden Freitag von 15:00 bis 18:30 Uhr sind die Ladenräume geöffnet und ein Mal im Monat (jeweils der zweite Freitag) finden Weinproben statt.

Was sind für Dich die positiven und was die schwierigen Aspekt am Unternehmerdasein?
Das Wichtigste für mich sind die Gestaltungsfreiheit und der Kundenkontakt. Von Anfang an habe ich mein Unternehmen so ausgerichtet, eine große Pilgino-Familie zu sein. Die Leute sollen sich gut aufgehoben fühlen. Die Hälfte meiner Reise-Kunden hat ein Thema, das sie beschreiten wollen, oder sie wollen über ihr Leben nachdenken. Bei einer Schrittgeschwindigkeit von drei bis fünf Stundenkilometern hat die Seele wieder eine Chance mitzukommen. Diese bewusste Entschleunigung hilft, zu einer Orientierung zu gelangen und es ist schön, das mitzubekommen. Personalverantwortung dagegen ist eine der schwierigen Seiten: Man kann und soll Sachen diskutieren, aber am Ende muss ich der Chef sein. Ich habe zwei Festangestellte und mehrere Reiseleiter, die für mich arbeiten. Gerade bei den Reiseleitern, die ich nicht oft sehe, kann es mal zu Unstimmigkeiten kommen, und es ist mir sehr schwergefallen, als es notwendig wurde, da jemanden zu entlassen. Jetzt habe ich ein gutes Team zusammen und das ist wichtig, denn mein Ziel ist in fünf Jahren nicht mehr selbst an vorderster Front zu stehen.

Wenn Du nicht mehr selbst an vorderster Front stehst, was machst Du dann?
Eine Sache an der ich gerade arbeite ist auf den Wanderungen verstärkt auf die Begleitung von Eseln  zu setzen. Esel sind freundliche und friedvolle Tiere, die ein idealer Wegbegleiter sind. Meine beiden Lieblingsesel leben in Spanien in der Rioja und jedes Mal wenn ich vor Ort bin, trainiere ich mit ihnen. In meinem Jubiläumsjahr, 2018, will ich mit den zwei Eseln und meinem Hund Santi noch einmal den gesamten Jakobsweg entlang laufen. Es soll direkt vor meiner Haustür losgehen. Vier Monate wird die Reise dauern. Ich denke, das gibt mir genügend Zeit wieder neue Ideen zu entwickeln.

Pilgino