Musik Shaker

Ein gesundes Misch-Modell

Ben Koller ist freiberuflicher Chorleiter und Gitarrenlehrer - und arbeitet "nebenbei" als Lehrer an der Regelschule.

Ben Koller hat Musik und Spanisch auf Lehramt studiert und wollte sich im späteren Berufsleben von Anfang an in Richtung Gesang, beziehungsweise Chor orientieren. Nur ein paar Tage nach dem Abschluss seines Studiums entschied er sich für eine Selbständigkeit als Chorleiter und Gitarrenlehrer, auch in Abgrenzung zum regulären Lehrerberuf und dem Schulsystem. Zu diesem Zeitpunkt hat er bereits an der VHS einen Chor geleitet und Gitarrenunterricht an einer Musikschule gegeben. Es war also augenscheinlich nur ein kleiner Sprung, anschließend die Chorleiterausbildung an der Landesmusikakademie in Wolfenbüttel zu beginnen. Was den Weg in die Selbständigkeit betrifft, entpuppte sich die zweijährige Fortbildung als Freude an der Musik und damit der leichtere Teil. Mit weitaus mehr Stolpersteinen versehen gestaltete sich der bürokratische Aufwand, der vor dem Start zu bewältigen ist.

Man muss das tun, worauf man richtig Bock hat, nur so lernt man am meisten

Wie ist Dein Weg in die Selbständigkeit genau erfolgt?

Die Idee kam aus einem Bauchgefühl heraus. Zwar habe ich auf Lehramt studiert, konnte mir aber damals nicht vorstellen, direkt ins Schulsystem einzusteigen. Als Chorleiter hatte ich bereits Erfahrung gesammelt und unter den VHS-Chorleiter-KollegInnen Vorbilder gefunden. Bei denen habe ich mich umgehört und viel Unterstützung bekommen. Mit Abschluss meines Studiums habe ich mich beim Jobcenter arbeitssuchend gemeldet. Ich hatte dort das Glück, dass ich aus dem ALG II Bezug eine Existenzgründerförderung bekommen habe. Damit habe ich einen Spielraum erhalten, mich gesichert – und betreut – auf den Weg zu machen. Und dieser Weg war nicht ganz ohne!

Beschreib das mal.

Ich hatte fast ein Jahr lang vor allem mit Bürokratie zu tun. Als erstes musste ich einen 20-seitigen Businessplan erstellen, mit allerlei Selbstbeschreibungen und finanziellen Schätzungen. Dieser war notwendig, weil man sich zur Aufnahme seiner Selbständigkeit über das Jobcenter eine externe, fachkundige Stellungnahme zur Tragfähigkeit einholen muss. Mein erster Entwurf wurde komplett auseinandergenommen. Man gab mir dann den Auftrag, mich intensiv mit dem Thema Akquise zu beschäftigen. Ich musste eine Marktübersicht aufstellen und eine genaue Idee formulieren, wie viel Geld ich für Gitarrenunterricht und für das Leiten eines Chores nehmen muss, um am Ende meinen Lebensunterhalt bestreiten zu können. Ein weiterer Punkt war der Marktauftritt. Was macht meine Arbeit zu einer besonderen Arbeit? Wie und wodurch spreche ich Kunden an? Und wie viele brauche ich?

Ich habe ein Coaching zur Erstellung meiner Webseite bekommen, eine befreundete Grafikerin hat mir bei Flyern geholfen. Als großen Luxus habe ich empfunden, dass ich vom Jobcenter einen Investitionszuschuss von 5.000 Euro für Sachmittel bekommen habe. Für diese und alle anderen Investitionen musste ich Nachweise vorgelegen, ständig Rechtfertigungen ablegen, viel Briefpost erledigen und zu einer Menge Termine gehen. Das hört sich jetzt nach Jammern an und es hat mir auch hin und wieder Kopfschmerzen bereitet, weil ich nicht musikalisch weiterarbeitet konnte. Letztendlich ist es aber sehr hilfreich gewesen, um mich auf die bürokratische Seite der Selbstständigkeit vorzubereiten und mich insbesondere mit den Finanzen auseinanderzusetzen. Wer sich da durchackert, hat einen guten Überblick gewonnen und ist für andere Ämter in der Zukunft gewappnet.

 

Das ist nun zwei Jahre her. An welchem Punkt Deiner Selbständigkeit stehst Du jetzt?

Es hat sich seitdem viel entwickelt. Viele offene Fragen haben sich geklärt und ich kann nun vermehrt musikalisch arbeiten. Nach einem Jahr Selbstständigkeit bin ich zusätzlich als Lehrkraft an der Regelschule eingestiegen. Diese kleine Teilzeitstelle bildet für mich eine feste Basis an Einkommen und sozialer Absicherung. Dadurch kann ich meine Selbständigkeit langsam wachsen lassen. Ich habe nun mehrere GitarrenschülerInnen und einen Chor mit 33 Mitgliedern. In beiden Bereichen kann ich darauf setzen, die Qualität und die stete Weiterentwicklung in den Vordergrund zu stellen und muss nicht an das ständige Ausweiten meines Unternehmens denken. Ich kann den Ideen folgen, auf die ich wirklich Lust habe. Das ist für mich sehr wichtig. Es macht unheimlich viel Freude zu sehen, wenn sich das Niveau von jemandem steigert und ich dazu beitragen kann. Meine Selbständigkeit ist übrigens auch ein Plus für mein Lehrerdasein. Die merken dort, dass ich nicht nur Pflichtunterricht abhalte, sondern dass mir Musik ein echtes Anliegen ist. Für mich ist diese Art von Mischmodell sehr gesund.

Du beginnst jetzt sogar mit Deinem Referendariat.

Ja. Ich möchte mir mehrere Türen offen halten, bei denen ich dann später entscheiden kann, ob und wie weit ich durch sie gehen will. Machen wir uns nichts vor, eine reine Selbständigkeit besteht auch daraus, alles mit sich selbst ausmachen zu müssen. Zwar haben mir Freunde und meine WG in vielem den Rücken gestärkt und sie mussten sich oft über den Küchentisch Sachen anhören, die meine Arbeit betrafen, etwa, wenn ich mit einem Problem im Chor nicht weiterkam oder wenn ich Beratung für einen Werbeauftritt brauchte, doch im Grunde blieben alle Entscheidungen an mir hängen. Die Mitarbeit in einem festen Kollegium wie an der Schule fängt viele dieser Gespräche auf, so kann ich mich stärker zum privaten Bereich abtrennen. Wie und wo ich letztendlich meinen Schwerpunkt setzen werde – ob stärker in der Selbständigkeit oder eher als Angestellter – bleibt offen. Mein Wunsch ist, in beiden Arbeitsfeldern aktiv zu sein und meine Entscheidungen so zu treffen, dass ich mit dem Herzen dran bleiben kann, was ich schon immer umsetzen wollte: Menschen dabei zu unterstützen, Musik zu machen.

ben-koller.de